Mit der Natur die Zukunft gestalten

Förderung der Biotechnologie und der biologischen Produktion

 

in der EU

 

Der Weg in eine nachhaltige Zukunft in lang und mühsam
Der Weg in eine nachhaltige Zukunft in lang und mühsam

Über Bioökonomie haben wir schon viel gehört und in diesem Portal berichtet. Noch begegnen uns im Alltag nur wenige Produkte. Nun könnte ein Papier der Europäischen Kommission Schwung in die Sache bringen.

 

Die Bioökonomie steht seit Jahren bereit, die Transformation von einer Erdöl-basierten Wirtschaft hin zu einer Marktwirtschaft zu vollziehen, in der fossile Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Durch die Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Systeme, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren bereit zu stellen, kann ein zukunftsorientiertes Wirtschaftssystem erreicht werden. 

 

Die Biotechnologie

 

und daraus abgeleitete biobasierte Produkte können ein wichtiger Teil zur Lösung vieler Herausforderungen sein. Für Klimaschutz, nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, Erhaltung der Natursysteme, Versorgung mit Lebensmitteln oder auch die menschliche Gesundheit stehen vielfach Lösungen bereit. Doch für eine breite Anwendung der Biotechnologie und Bioproduktion in der EU gibt es noch einige Hindernisse zu überwinden. Die Europäische Kommission hat am 20. März 2024 ein Papier zur angestrebten Nutzung der Biotechnik im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt, gerichtet an das europäische Parlament, aber auch an alle Institutionen und Mitgliedsstatten der EU. Um das gesteckte Ziel in Zukunft zu erreichen, wird unter anderem die Gründung eines „Zentrums für Biotechnologie“ vorgeschlagen.

 

Margarethe Vestager auf der Pressekonferenz zum Thema Bioökonomie (Bild: EU)
Margarethe Vestager auf der Pressekonferenz zum Thema Bioökonomie (Bild: EU)

Auf der Pressekonferenz am 20. März 2024 betonte Margarethe Vestager, Exekutivvizepräsidentin der Europäischen Kommission, zuständig für das Thema "Europa fit für das digitale Zeitalter" und Kommissarin für Wettbewerb:

 

„Überall in Europa stehen wir vor den gleichen Herausforderungen: Der Klimawandel betrifft uns alle. Ressourcenknappheit betrifft uns alle. Die Biotechnologie kann dazu beitragen, diese Herausforderungen zu bewältigen. Außerdem unterstützt die Biotechnologie in hohem Maße die europäische Wirtschaft und trägt mit ihrem hohen Wachstumspotenzial und ihrer Arbeitsproduktivität zu unserer Wettbewerbsfähigkeit bei. Und indem sie die Abhängigkeit Europas von fossilen Rohstoffen und anderen Rohstoffquellen verringert, erhöht die Biotechnologie auch die Kreislaufwirtschaft und stärkt unseren Weg zur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Mit dem heutigen Vorschlag wollen wir das richtige Umfeld für diesen Sektor schaffen, damit er wachsen und globale Lösungen für gesellschaftliche und ökologische Probleme liefern kann.“

 

Das publizierte Papier beschreibt die aktuellen Herausforderungen und Hindernisse zur breiten Nutzung der Biotechnik und schlägt Maßnahmen vor, um diese Herausforderungen zu überwinden. Dabei werden auch Möglichkeiten zur Förderung des Engagements und der Zusammenarbeit aufgezeigt. Wir wollen hier einen kleinen Einblick in dieses Papier geben und stellen im übrigen das Papier zum Download bereit (Link siehe unten).

 

Bioökonomie unf Kreislaufwirtschaft
Bioökonomie unf Kreislaufwirtschaft

Überblick 

 

Im Papier wird zunächst ein Überblick über den Sektor Biotechnologie gegeben. Danach betrug das Gesamtvolumen des weltweiten Biotechnologiemarktes im Jahr 2021 rund 720 Mrd. EUR; die jährliche Wachstumsrate liegt bei 18 %. Recherchen zeigen, dass der Markt bis 2023 ein Volumen von rund 1.700 Mrd. EUR erreichen könnte. Derzeit hat die EU an diesem Markt nur einen Anteil von 12 Prozent (USA haben hier 60 %), aber eben das sollte sich ändern. Die Biotechnologie hat dabei nicht nur wegen der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten große Bedeutung; in dieser Branche wird auch eine große Zahl von Arbeitsplätzen entstehen.

 

 

Das Papier listet zahlreiche Beispiele für Biotech-Anwendungen auf. Profitieren können der Wasserschutz, die Energieversorgung, die Landwirtschaft und Ernährung, die Gesundheit und auch die Industrie in zahlreichen Anwendungsbereichen. Getragen wird das System auch durch eine qualifizierte Kreislaufwirtschaft. Gleichwohl steht der Sektor vor einer Reihe von Herausforderungen, die zu bewältigen sind.

 

Große Bedeutung hat die Biotechnik in diesen Feldern:

 

q  Gesundheit: Hier besteht auch eine große strategische Bedeutung für das Gesundheitswesen, auch um bei der Versorgungssicherheit unabhängiger zu werden.

 

q  Lebensmittel: Auch der Ernährungssektor kann durch die Biotechnik eine größere Unabhängigkeit erreichen, verbunden mit mehr Sicherheit beim Gesundheits- und Umweltschutz.

 

q  Holzwerkstoffe: Langfristige Sicherung der Widerstandsfähigkeit der Wälder und Gewinnung erneuerbarer Rohstoffe.

 

q  Marine Biotechnologie: Hier lassen sich Vorteile erreichen sowohl für die Gesundheit als auch für den Umweltschutz oder auch für die Produktion von Kosmetika oder Enzymen. 

 

Herausforderungen

 

Beim Technologietransfer gibt es noch viel Luft nach oben. Europa ist stark in den Biowissenschaften, aber es fehlt an Exzellenzzentren, der Transfer in den Markt muss intensiviert werden. Beim Transfer in den Markt gibt es überdies viele komplexe regulatorische Hürden und komplizierte Genehmigungsverfahren; dies ist nicht gerade attraktiv für Investoren. Schwierige Finanzierungswege gibt es zudem wegen des langfristigen Finanzbedarfs bei Biotech-Unternehmen. Die Versorgung mit Risikokapital ist noch ebenso weiter auszubauen wie die Förderung von Scale-up-Phasen bei den Biotech-Unternehmen. Ferner müssen Qualifikationen vorangetrieben werden, sowohl was die Arbeitskräfte betrifft als auch die komplexen Produktionsprozesse. Letzteres betrifft vor allem die Wertschöpfungsketten, etwa die Versorgung mit Rohstoffen, speziell mit nachhaltiger Biomasse. Handlungsbedarf besteht auch bei Fragen des geistigen Eigentums (Patente etc.) und bei der öffentlichen Akzeptanz. Bereits in Arbeit sind Bewertungen zur wirtschaftlichen Sicherheit der Biotechnik; Risikoszenarien werden ausgewertet und nachfolgend Maßnahmen zur Risikominimierung entwickelt. 

 

Die Schaffung eines stabilen, vorhersehbaren und ausgewogenen Rahmens für geistiges Eigentum zum Schutz und zur Valorisierung von Biotech-Innovationen und zur Erleichterung des Zugangs dazu, insbesondere für kleinere Akteure entlang der Wertschöpfungskette wie Primärerzeuger und KMU, ist von entscheidender Bedeutung für die Gewährleistung eines lebendigen Biotech-Ökosystems in der EU. 

 

Daten und Künstliche Intelligenz ermöglichen große Fortschritte
Daten und Künstliche Intelligenz ermöglichen große Fortschritte

Chancen 

 

Ein stärker integrierter Ansatz für den Technologietransfer in den Mitgliedstaaten kann den Unternehmen dieser Branche erhebliche Vorteile bringen. Dies erfordert Maßnahmen in drei miteinander verknüpften Bereichen: 

 

q Aufbau von Kapazitäten für den
Technologietransfer, etwa durch Ausbildung, Wissensentwicklung und -austausch)
 
q    Finanzierung des Technologietransfers
 
q    Gestaltung von Innovationsökosystemen durch Forschungseinrichtungen, Technologietransferbüros sowie Forschungs- und Technologieinfrastrukturen.

 

Technologiezentren sind ein wichtiges Instrument zur Beschleunigung des Technologietransfers bei innovativen Produkten. In der EU gibt es mindestens 130 kartierte Technologiezentren, die in den Bereichen Biotechnologie und Biofertigung tätig sind. 

 

 

Ein wesentlicher Faktor bei der Weiterentwicklung der Biotechnik sind die vorhandenen Datenmengen und die Künstliche Intelligenz. Die Entwicklung modernster Lösungen wird dadurch erheblich beschleunigt. 

 

Um auf dem Markt erfolgreich zu sein, müssen auch biobasierte Produkte ihre Nachhaltigkeit und ihre geringeren Umweltauswirkungen im Vergleich z. B. zu petrochemischen Produkten nachweisen. Verfahren zur Bewertung der Umwelteinflüsse sind vorhanden. 

 

Geplante Schritte 

 

q Förderung der Einrichtung von "Sandkästen", in denen neuartige Lösungen für einen begrenzten Zeitraum unter Aufsicht und in einem kontrollierten Umfeld getestet werden können.

 

q Einrichtung eines EU-Biotech-Hubs zur Unterstützung von Unternehmen bei Fragen zum Rechtsrahmen und zum Scale-up. 

 

Erläuterung zum Europäischen Innovaionsrat
Erläuterung zum Europäischen Innovaionsrat

Europäischer Innovationsrat

 

In den letzten 30 Jahren hat die Biotechnologie die Pharmaindustrie verändert und die Entwicklung bahnbrechender Therapien ermöglicht, die lebensrettend sind oder die Lebensqualität von Patienten und ihren Familien erheblich verbessern. Die Entwicklung der Biotechnologie in Europa trägt auch weiterhin positiv zum Wohlergehen der Menschen in dieser Region bei. Der bestehende Rechtsrahmen für die Entwicklung und Verwendung von biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln ist jedoch komplex und muss überarbeitet werden. Dazu gehört auch, dass in enger Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten, der Europäischen Arzneimittel-Agentur und den einschlägigen Interessengruppen an der weiteren Harmonisierung und Verbesserung der Verfahren für klinische Prüfungen gearbeitet wird.

 

Die EU verfügt über eine breite Palette von Finanzierungsinstrumenten zur Förderung der Biotechnologie und der biologischen Fertigung. Für Innovationen mit großem Potenzial sollen weitere Maßnahmen geprüft werden, auch in Kooperation mit dem europäischen Innovationsrat. 

 

Erläuterungen zum Pakt für Kompetenzen
Erläuterungen zum Pakt für Kompetenzen

Pakt für Kompetenzen

 

Die Europäische Investitionsbank (EIB) erarbeitet derzeit eine Studie zur Bioökonomie. Finanzierungslücken sollen quantifiziert, Marktbedürfnisse und -hindernisse bewertet und neu entstehende innovative Projekte identifiziert werden. Auf der Grundlage der Studie wird die Kommission untersuchen, ob die bestehenden Instrumente verbessert werden können, um Lösungen auf der Grundlage von Biotechnologie und Biofertigung besser finanziell zu unterstützen. 

 

Ein "Pakt für Kompetenzen" im Rahmen der EU-Qualifikationsagenda befasst sich mit den dringendsten Qualifikationsdefiziten in der Industrie unter aktiver Beteiligung der Industrie und wichtiger Akteure der allgemeinen und beruflichen Bildung. 

 

Talentpool

 

Um Talente zu fördern und zu halten, kann die Anwerbung qualifizierter Drittstaatsangehöriger für die Arbeit im Biotechnologiesektor auch dazu beitragen, Qualifikationslücken zu schließen. Hier arbeitet der „EU-Talentpool“, der sich derzeit noch im Aufbau befindet. Er wird die erste EU-weite Plattform sein, die Arbeitgebern hilft, qualifizierte Drittstaatsangehörige zu finden.

 

Innovations-Valleys

 

Die Europäische Kommission hat zur Teilnahme an der Initiative „Regionale Innovationstäler“ (RIV) aufgerufen. Angesprochen sind europäische Regionen, die gemeinsame Herausforderungen angehen und dabei strategische Prioritäten der EU vorantreiben. Bis zu 100 Regionen sollen sich verpflichten, ihre Forschungs- und Innovationsinvestitionen und -politiken im Bereich der Deep-Tech-Innovationen auf regionaler Ebene besser zu koordinieren und bei interregionalen Innovationsprojekten zusammenzuarbeiten.

 

Aktionsfelder zur Etablerung einer zukunftsorienteirten Bioökonomie
Aktionsfelder zur Etablerung einer zukunftsorienteirten Bioökonomie

Ausblick

 

Die Kommission hat ein umfassendes Papier vorgelegt. Dieses Papier beschreibt die aktuellen Herausforderungen, die von den Biotech-Unternehmen zu meistern sind. Dann werden in Papier zahlreiche Maßnahmen vorgestellt, die zur Lösung aller offenen Probleme beitragen sollen. Einige Lösungswege dürften keine Spaziergänge sein, aber die Identifizierung ist ein erster wichtiger Schritt. Ferner werden eine Reihe aktueller Aktivitäten beschrieben, die auf dem Weg zur Realisierung einer umfassenden Bioökonomie durchzuführen sind.

 

Gespannt darf man sein, was denn die Bürokratie zu alledem zu sagen hat. Außerdem werden die vielen Entwicklungen und Aktivitäten wohl auch Geld kosten; hier braucht es jeweils ein im Papier nicht beziffertes Budget. 

 

Wir haben dieses Thema schon von vielen Seiten betrachtet. Was wir dringend brauchen, ist ein neues Denken in der Wirtschaft, in der Landwirtschaft und vor allem in der Gesellschaft. Gut wäre, wenn die Politik mit einer überzeugenden Vision die Menschen überzeugen und mitnehmen würde. Leider überschatten derzeit viele Ereignisse in der Welt derartige Überlegungen und Aktivitäten. Mag sein, einige Ziele sind ehrgeizig. Aber diese Ziele kennen und diskutieren wir seit vielen Jahren. Jetzt ist Handeln angesagt, der Planet ruft danach.

 

Wenn man derzeit Kommentare zu diesem Thema liest, fällt noch etwas auf: Alle plädieren höchst eigennützig für die von ihnen vertretene Branche. Diese Welt ist vielfältig, und wir brauchen zum Leben nicht nur das eine oder das andere. Wir sind WIR, wir müssen übergeordnet denken und handeln, denn nur gemeinsam sind wir stark.

 

Wir stehen derzeit kurz vor den Wahlen zum Europaparlament. Bleibt zu hoffen, dass auch nach den Wahlen dieses jetzt vorgelegte Programm energisch weiter vorangetrieben wird. Hier würde man sich im übrigen etwas mehr Entschlossenheit, verbunden mit guter Kommunikation und vorausschauender "Bio-Diplomatie" wünschen. Damit ist  nicht die Übertragung von "höher-schneller-weiter" auf morgen gemeint. Diese sollte nun wirklich überholt sein. Was wir brauchen, ist ein gutes und wertschätzendes Miteinander, zukunftsorientiertes Handeln und einen gesunden Planeten.

 


Papier zum Download

 

Für Interessenten:

 

Wer das Papier genauer lesen möchte, kann es hier herunterladen.                                                      uuu

 

 

 

Deckblatt Mitteilung Bioökonomie März 2024
Communication Biotechnology and Biomanufacturing EU 2024

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Factsheet Biotech Industrie EU
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