Startups, Nachfolger und ihre kreativen Ideen
Wein, Naturwein und mehr: Das Weingut Spitz & Fils
Weinbau mit Leidenschaft und Tradition
Spitz & Fils
Jedes Jahr im Juni führt mich der Weg ins Elsass. Das war in den letzten beiden Jahren (leider!) nicht so – Corona stand im Weg. Aber jetzt war es wieder soweit. Und wie immer wohne ich auf dem Weingut Spitz & Fils in Blienschwiller. Von hier aus geht es zur Messe „Mineral & GEM“ in St. Marie aux Mines. Und außer einem guten Frühstück ist die Versorgung mit gutem Wein sichergestellt.
Natürlich lassen sich von hier aus auch andere gute Weingüter besuchen – und die gibt es hier im Elsass reichlich. Zu diesen Weingütern gehört auch das Weingut
Spitz & Fils, ein seit über 100 Jahren alteingesessener Familienbetrieb. In diesem Jahr erfahre ich, dass der Sohn Marc nun die Nachfolge seiner Eltern Marie Claude und Dominique angetreten
hat und das Weingut damit in die fünfte Generation führt. Seit wenigen Monaten hat er die Regie auf dem Weingut übernommen. Und er präsentiert auch gleich zwei neue Weine. Eigentlich sind das
keine Weine, wie mir Vater Dominique erklärt. „Es ist etwas anderes, es sind Naturweine, und die schmecken schon anders“. Wir beide verkosten die beiden Weine – dazu später.
Spitz & Fils ist tatsächlich ein Weingut mit Tradition, und obendrein eine Winzerfamilie durch und durch. Schon der Vater von Marie Claude, eigentlich
Finanzbeamter, hatte Wein angebaut, zunächst ein wenig nebenbei in Epfig, aber dann nach dem Kauf eines weiteren Weinbergs rund 100 km entfernt (!) in der Nähe von Wissembourg doch intensiver.
Den Job bei der Finanzbehörde gab er dafür auf. Marie Claude: „So waren wir fast eine Art Wein-Zigeuner-Familie“. Der Vater von Dominique war zwar eigentlich Lehrer, sogar Schuldirektor, betrieb
aber nebenbei auch einen kleinen Weinberg. So war das wohl immer im Elsass: Beruf ist Beruf, aber so ganz ohne Weinbau geht es nicht …
Weinspezialitäten im Direktvertrieb
Als Marc mir eine kleine Führung durch den Weinkeller gibt, zeigt er mir auch dort die historischen Spuren. An einem der Pfeiler finde ich die Zeichen EB 93 eingraviert – sein Urgroßvater Emile Bohn hatte hier einen Kellerumbau im Jahr 1893 dokumentiert. Und so ergibt sich eben eine weit über 100jährige Weintradition. Dieser Weinbau ist also schon sehr lange die Lebensgrundlage der Familie Spitz. Mit Engagement, Begeisterung und Leidenschaft ist man in den Weinbergen unterwegs, pflegt Kundenkontakte auf Weinmessen und durch Direktvertrieb, zieht Weinliebhaber für einen "Urlaub auf dem Weingut" in die Gästezimmer. Diese Familie „lebt“ Weinbau.
Dominique erzählt mir weiter, dass die Familie Spitz nun auch entschieden hat, das Weingut als Bio-Weingut weiterzuführen – eine erste große Aufgabe für den Junior-Chef Marc. In diesem Jahr wird erstmals nach den Regeln des biodynamischen Weinbaus gearbeitet. Vieles an der Geschichte dieses Weingutes erinnert mich an gut organisierte und harmonische Nachfolgeregelungen, die ich in den letzten Jahren kennen lernen durfte. Da gab es vor fast 20 Jahren schon die Nachfolge beim Weingut Rings in der Pfalz, heute ein Weingut unter den besten in Deutschland. Da gab es vor etwas mehr als einem Jahr die Nachfolge beim Weingut Stolleis in der Pfalz, ebenfalls ein positives Beispiel. Und auch diese beiden Weingüter gehen nun den Weg des Bio-Weinbaus.
Zurück zu Spitz & Fils und den Naturweinen. Naturweine sind mir in den letzten drei bis vier Jahren des Öfteren begegnet. Und so bin ich gespannt, hier bei
Spitz & Fils die neuen Weine „RED OX“ und „Avec sans“, bedes Kreationen von Marc Spitz zu verkosten.
RED OX - Naturwein in doppeltem Sinne ...
Der erste, RED OX, ist ein Grauburgunder, der auf der Maische vergoren und unfiltriert abgefüllt wurde. Die leuchtend rote Farbe des Weins fällt als erstes ins Auge. Der Wein zeigt in der Nase keine auffallenden Aromen, aber Frucht und Frische kann man deutlich wahrnehmen. Auf der Zunge tritt die Kirsche deutlich in den Vordergrund. Auch Banane und Schokolade sowie eine angenehme Mineralik ergänzen die Aromen-Vielfalt.
Auch der zweite Naturwein, „Avec sans“, ist von helloranger Farbe, aber deutlich weniger leuchtend als RED OX. In der Nase eher unauffällig, aber auf der Zunge auch hier viel Frucht. Dieser Wein ist das Ergebnis einer Mazeration von weißen Trauben der Rebsorte Silvaner, die von einer der ältesten Parzellen des Weingutes geerntet wurden. Er wurde (natürlich) ohne Zusatz von Sulfiten hergestellt. Er lässt sich gut als Aperitif oder zu hellem Fleisch und zu Käse genießen. Marc Spitz: „Ja, Naturweine sind „etwas anderes: Diese Weine sind weniger lange lagerfähig. Aber vielleicht gelingt auch einmal die Entwicklung von Naturweinen, die länger lagerfähig sind“. Bei diesem Wein kann ist es sinnvoll, ihn vor dem Genuss zu dekantieren. Belüftet nimmt er eine deutlich kräftigere orange Farbe an.
Das Weingut ist mit 12 ha Anbaufläche kein sehr großes Weingut, es ist ein echter Familienbetrieb. Insofern ist man es gewohnt, alles mit professionellem Gerät, aber eben auch mit viel Handarbeit zu erledigen, wie beispielsweise die Weinlese. Und das ist durchaus gewollt, denn Handlese ist ein Markenzeichen dieses Winzers. Und chemische Mittel wurden bei Spitz & Fils schon immer weitestgehend vermieden. Man ist also bestens auf einen Bio-Anbau vorbereitet.
Bioweine - Weingenuss der Zukunft
Die Umstellung auf Bioweine ist heute mehr als ein Trend. Aber diese Art des Weinbaus ist mit Mehrarbeit verbunden, und es müssen eine Reihe spezieller Regeln beachtet werden. So muss etwa ein hinreichender Abstand zu konventionellen Weingütern eingehalten werden. Marc Spitz: „Es ist gut, wenn benachbarte Weingüter auch auf Biobetrieb umstellen. Einer muss aber den Anfang machen. Nur wenn ein (erster) Tropfen ins Wasser fällt, breiten sind die Wellen aus.“
Bioweine haben – das ist auch meine Erfahrung – in den letzten 20 Jahren deutlich an Qualität zugelegt, viele sind heute als sehr gute Weine bekannt, viele lassen die Konkurrenz schon hinter sich. Marc: „Wenn alles wie geplant läuft, sind wir 2024 mit dem ersten Biowein auf dem Markt. Ich bin sicher, dass auch wir einen sehr guten Biowein erzeugen können.
Die Weine von Spitz & Fils
Noch bietet Spitz & Fils – außer den Naturweinen – zumeist konventionelle Weine an. Zu den bekannten Weinen dieses Weingutes gehören neben den beschriebenen Naturweinen der Riesling Grand Cru Winzenberg, der Gewürztraminer Grand Cru Winzenberg, aber auch der Coup de Foudre, eine im Holzfass über 30 Monate gereifte Cuvée aus Auxerrois und Grauburgunder. Außerdem gibt es verschiedene Cremants, Obstbrände und Liköre sowie weitere regionale Produkte.
Wein & Genuss in Blienschwiller
Alles dies macht einen Besuch in Blienschwiller lohnenswert. Es wohnt sich gut auf diesem Weingut, und von hier aus kann man bestens die zahlreichen Weingüter des Elsass besuchen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass das Elsass daneben auch eine große Zahl von Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Und außerdem ist die Küche interessant und spannend. Ein Besuch etwa im Restaurant „Le Pressoir de Bacchus“ in Blienschwiller ist absolut empfehlenswert und im übrigen fußläufig bequem zu bewerkstelligen.
Erläuterungen
Naturweine werden möglichst ohne Zusätze und ohne aufwändige önologische Verfahren oder Eingriffe in die Gärung produziert. Voraussetzung ist eine entsprechende Bewirtschaftung der Weinberge, weshalb der ökologische Weinbau (Biowein) als Voraussetzung für Naturwein angesehen wird. Das heißt für die Praxis: Handlese, Spontan-Vergärung in der Maische mit den dort natürlich vorkommenden Hefen, keine Schwefelung, kein Filtern.
Mazeration gehört dazu, ein Weinherstellungsprozess, bei dem die phenolischen Inhaltsstoffe der Traube - Tannine, Farbstoffe und Aromastoffe - aus den Traubenschalen, Samen und Stängeln in den Most ausgelaugt werden.
Bei den Bioweinen unterliegen sämtliche Arbeitsprozesse vom Weinberg bis hin zum Keller strengen Vorgaben. Dazu gehören unter anderem der Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide, Fungizide und Herbizide. Die Einhaltung der Vorgaben wird jährlich von der zuständigen Behörde überprüft. Beim Bioweinbau muss der Bio-Winzer weitaus öfter als der konventionelle seine Weinberge kontrollieren, um die Qualität seiner Weine zu garantieren.
Der biodynamische Weinbau hat im Unterschied zum Bioweinbau noch strengere Vorgaben und wird durch unabhängige private Organisationen wie DEMETER oder ECOVIN kontrolliert. Alle Arbeiten, sei es die Aussaat oder die Ernte, richten sich zudem nach dem Mondkalender. Ziel ist, das Irdische mit dem Kosmischen in Einklang zu bringen, das ökologische Gleichgewicht zu erhalten. Ein wichtiger Teil dieses Anbaus ist der Einsatz von natürlichen Präparaten zur Stärkung der Pflanzen und des Bodens. Zur Düngung wird nur Mist verwendet, der je nach Bodenart allenfalls durch die Zugabe von Kräutern aufgewertet wird.