rheinzeiger 38

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Keep on Turning

Lebenszyklen einer Organisation
Lebenszyklen einer Organisation

        

Über die Kunst, in dynamischen Zeiten langfristig am Markt erfolgreich zu sein

 

Keep on Turning

 

Fällt der Begriff Lebenszyklus, denken wir automatisch an Produkte: von der Markteinführung über die Reifephase bis hin zur Degeneration. Diese aus der Betriebswirtschaft bekannten Kurve lässt sich auf die Entwicklung von Organisationen übertragen und liefert wertvolle Erkenntnisse darüber, warum Startups oftmals bei dem Versuch, zu wachsen, scheitern oder große Unternehmen ihre Dynamik und Innovationskraft verlieren.

 

Beginnen wir mit der „Stunde 0“ eines jeden Unternehmens: Aus einer vielversprechenden Idee der Gründer:innen am Küchentisch oder in der Werkstatt entwickelt sich eine zunehmend konkreter werdende Vorstellung eines möglichen Geschäftskonzepts. Die Idee reift, erste Prototypen entstehen, der Markt wird gründlich nach zukünftigen Interessenten sondiert, erste potenzielle Kunden werden gewonnen. Diese Lebensphase nennen wir „INNOVIEREN“. Sie ist geprägt von Erfindergeist, Kreativität, Try-and-Error, Risikobereitschaft, Improvisation und einer sehr engen, kurzzyklischen Zusammenarbeit aller Beteiligten.

 

Findet das Produkt oder die Dienstleistung am Markt Anklang, ist die erste Hürde genommen. Je stärker die Nachfrage, desto stärker wächst die benötigte Anzahl an Mitstreitern. Mit dem Größer-Werden der Unternehmung beginnt sich auch die Art und Weise der Zusammenarbeit zu verändern, denn nicht jeder kann „alles“ übernehmen. Die Lebensphase „ORGANISIERUNG“ wird durch das Verteilen und Strukturieren von Arbeit eingeläutet. Ein Teil der Mitarbeiter übernimmt Führung und Verantwortung, Ziele und die nächsten Bestrebungen werden sichtbar. Es manifestiert sich die erste offizielle Organisationsstruktur.

 

Die gemäß einer Studie von Kienbaum und StepStone wohl bekannteste Organisationsstruktur ist mit 51 Prozent die klassische Stab-Linien-Organisation – also die Hierarchie, so wie wir sie nach dem Taylor-Prinzip kennen. Diese Organisationsform zentralisiert Entscheidungen auf die Köpfe weniger, eignet sich gut für ein stabiles Umfeld mit immer wiederkehrenden Anforderungen und bedient sich klassischer „Command-and-Control“-Mechanismen. Weitere 29 Prozent kombinieren Projektgeschäft mit der klassischen Linienorganisation und erzeugen darüber die auch recht bekannte Form der Matrix-Organisation. Beide Organisationsformen stoßen aufgrund ihrer zentralen Steuerungs- und Kontrollmechanismen in zunehmend dynamischer werdenden Märkten an ihre Grenzen. Bereits 20 Prozent der in der DACH-Region aktiven Unternehmen haben dies erkannt und experimentieren daher mit neuen Organisationsformen wie Netzwerk- oder Zellstrukturen.

 

Mit der ausgewählten Organisationsstruktur in der Organisierungsphase legt ein Unternehmen, oftmals unbewusst, eine entscheidende Basis für seine Zukunft. Stabile Märkte sind ein Auslaufmodell des letzten Jahrhunderts, weshalb es für Unternehmen zunehmend wichtig wird, wandlungsfähige sowie zugleich skalierbare Strukturen zu etablieren und für sich selbst nach Alternativen zum klassischen Hierarchie-Modell zu suchen.

 

Doch kommen wir zurück auf die Entwicklung eines Unternehmens: Nicht selten durchläuft eine Organisation in ihrem Reifeprozess eine Struktur- und Führungskrise, bevor die nächste Lebensphase, die „OPTIMIERUNG“, erreicht wird. Steht die Grundstruktur, wandelt sich der Fokus von „wie geht es?“ zu „wie geht es am besten?“. Das Geschäftsmodell hat sich nun als erfolgreich und profitabel erwiesen, zunehmen wandert das Augenmerk auf vertretbare Kosten, effiziente Prozesse, stetige Verbesserung und auf die Automatisierung wiederkehrender Abläufe. Diese Phase kann nun über viele Jahre andauern, ausschlaggebend ist die Attraktivität der Produkte bzw. die der Dienstleistungen.

 

Wenn Unternehmen lange Zeit am Markt erfolgreich sind, erreichen sie in der Regel ihre Endgröße. Oftmals möchte man dies jedoch nicht wahrhaben, denn Weiter-Wachsen ist das verkündete Ziel. Zukäufe von Innovationen, geografische Erweiterungen und die Erschließung neuer Segmente werden betrieben – sowie auch Gewinnsteigerung durch Sparaktionen. Mental ist das Unternehmen sehr selbstbewusst. Kritiken von Kunden werden mit den Worten „der Wettbewerb ist auch nicht besser“ abgetan. Die „DYNAMISIERUNG“ deutet sich an, wenn die siloartigen Strukturen zu einer Überbürokratisierung, zu mangelnder Kundenorientierung und zu einem Verlust der Wandlungsfähigkeit führen.

 

Gefährlich für die Unternehmung wird es dann, wenn die Attraktivität der Produkte abnimmt, der Kostendruck steigt, disruptive Geschäftsmodelle das Kernbusiness bedrohen und keine neuen, nennenswerten Innovationen hervorgebracht werden. Doch dieser Situation lässt sich auch etwas Gutes abgewinnen: Immer, wenn etwas kaputt geht, entsteht auch Platz für Neues – Platz für Gründer:innen, die beginnen, den Lebenszyklus von vorne zu durchlaufen.

 

Zusammengefasst zeigen die verschiedenen Lebensphasen einer Organisation, dass jede Phase sich mit einer anderen Herausforderung konfrontiert sieht und dazu jeweils andere Fähigkeiten braucht bzw. gar erst entwickeln muss. Startups scheitern oftmals an fehlenden Strukturen, zu wenig Effizienz und einem Führungsproblem, während reifere Unternehmen aufgrund ihres Optimierungsfokus und eingefahrener Denkweisen ihre Innovations- und Wandlungsfähigkeit verlieren. 

 

Das Gründerteam: Fzanziska Gütle & Christian Bäumer
Das Gründerteam: Franziska Gütle & Christian Bäumer © We think different

Die Kunst liegt daher in der geschickten Kombination beider Welten: Einerseits braucht ein Unternehmen losgelöst von gefestigten Strukturen Experimentierräume, in denen Neues entstehen kann. Andererseits ist eine effiziente Abwicklung bestehender Produkte oder Dienstleistungen zur Zukunftssicherung notwendig. Es gilt, sich als Organisation immer wieder neu zu erfinden und die Lebensphasen immer wieder zu durchlaufen – Keep on Turning! 

 

 

www.we-think-different.de