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Der Europäische Nachhaltigkeitsfonds

Ein Nachhaltigkeitsfonds für Startups aus Europa
Ein Nachhaltigkeitsfonds für Startups aus Europa (Bild: RheinZeiger)

28.03.2022

 

Bioökonomie in Europa

 

Seiten vielen Jahren wird über den Klimawandel geredet. Die Bioökonomie ist dabei immer häufiger Thema der Diskussionen. Dies war schon Thema bei einem BioPerspectives-Kongress 2007 in Köln. Die Bioökonomie entwickelte sich zunächst zögerlich, in den letzten Jahren aber doch zielstrebig. Die Bundesregierung veröffentlichte 2020 die „Nationale Bioökonomiestrategie“ und legte ein großes Förderprogramm auf. Im gleichen Jahr stellte die EU-Kommission den „Green Deal der Europäischen Union“ vor. Erste Startups wurden gegründet. 

 

Bei der Finanzierung der Startups bestand jedoch eine Lücke, und so wurde im Oktober 2020 der European Circular Bioeconomy Fund oder kurz ECBF ins Leben gerufen. Dieser Nachhaltigkeitsfonds hat inzwischen 300 Millionen Euro eingesammelt und erste Beteiligungen an Startups auf den Weg gebracht. Wir unterhielten uns mit dem Geschäftsführer Dr. Michael Brandkamp. 

 

 

Dr. Heinz Bettmann, RheinZeiger: Sehr geehrter Herr Dr. Brandkamp, Sie kennen die Bioökonomie viele in dieser Branche gegründeten Startups. Diese hatten oft große Probleme bei der Finanzierung. Nun wurde ein Europäischer Nachhaltigkeitsfonds durch die Europäische Kommission und die Europäische Investitionsbank (EIB) initiiert mit dem Ziel, zur Umsetzung des Green Deals einen Beitrag zu leisten, den Startups eine Finanzierung zu liefern. Was ist die Mission dieses Fonds, welchen konkreten Bezug zum Green Deal gibt es? 

 

Screenshot zum Online-Interview des RheinZeigers mit dem ECBF
Screenshot zum Online-Interview des RheinZeigers mit dem ECBF (Bild: RheinZeiger)

Dr. Michael Brandkamp, ECBF: Ja, wenn man auf einer höheren Abstraktionsebene beginnt, ist es tatsächlich so, dass wir einen Beitrag dazu leisten wollen, die Bioökonomie in Gang zu setzen. Die Menschheit darf den Planeten nicht länger ausplündern. Wir müssen mit dem zufrieden sein, was die Natur uns gibt. Der Kreislauf der Natur muss erhalten bleiben. Die Transformation zu dieser Bioökonomie ist ein entscheidender Schritt, um eben hier auf dieser Welt langfristig leben zu können. Da ist die Bioökonomie keine Option, sondern ein Muss. 

 

Wir reden über die Produktion von Biomasse, von Agrar-Technologien, über Digitalisierung, die die Agrar-Industrie effizienter machen wird. Wir reden darüber, durch den Einsatz von Mikroorganismen Produkte zu gewinnen, aber eben mit nachhaltigen Methoden. 

 

HB: Das klingt nach komplexem Aufgabengebiet. Können Sie das ein wenig konkretisieren, vielleicht mit Beispielen? 

 

MB: Drei Themen sind wichtig. Wir investieren beispielsweise in ein Unternehmen, das zur Proteingewinnung Insekten züchtet, die auf Abfällen wachsen. Dann müssen wir zweitens wegkommen von Einweg-Plastikverpackungen, die später im Ozean landen und am Ende dann doch wieder bei uns auf dem Teller. Und als Drittes reden wir über Themen wie Textil-Recycling oder Körperpflege, auch das spielt eine große Rolle. 

 

Wir haben attraktive Innovationen. Europa ist immer noch führend, was Forschung und Entwicklung betrifft. Und da gibt es gute Ideen, die über Startups mittels zirkulärer Geschäftsmodelle in den Markt gebracht werden. Aber die Skalierung dieser Startups, dass man wirklich aus den Innovationen etwas Großes macht, das ist der Engpass. Diese Wachstums-Finanzierungen muss man in Gang halten, damit Innovationen nicht immer in anderen Kontinenten gedeihen, damit Europa die führende Position im Bereich der Bioökonomie auch verteidigen kann. 

 

Der ECBF mobilisiert Kapital für die Transformation
Der ECBF mobilisiert Kapital für die Transformation (Bild: Screenshot, verändert, RheinZeiger/ECBF)

HB: Wer ist an diesem Fonds beteiligt? Wie ist seine Organisationsstruktur? 

 

MB: Es ist sehr wichtig, dass hier nicht nur die Investitions-Bank beteiligt ist, sondern auch große Unternehmen und Konzerne, die an die Bioökonomie glauben und dort mitwirken wollen. Investoren aus 8 Ländern unterstützen die Mission des ESG-Fonds. Wir haben nun 25 Unternehmen, Banken und weitere Institutionen an Bord, unter ihnen die Landwirtschaftliche Rentenbank, Allianz France, Invest NL, GCV (eine Tochtergesellschaft von GC, Chemie-Innovationen), Firmenich (Düfte, Aromen), Stellar Impact (ein von Telos Impact verwaltetes Vehikel), Dr. Hans-Riegel Holding, Bellevue Investments. Unternehmen wie Neste, Nestlé, BÜFA, NRW.BANK, Volkswohl Bund, Corbion, Dr. Hettich Beteiligungen, Koehler Group sowie das Wortmann Family Office und drei weitere Investoren haben sich bereits in den vorangegangenen Runden beteiligt. 

 

Aber auch der regionale Bezug ist wichtig. Deshalb ist auch die Invest-NL und die NRW.BANK als Fonds-Investor dabei. Wir glauben, dass in Nordrhein-Westfalen sehr spannende Projekte existieren, ein großes Potenzial vorhanden ist. Hier gibt es den Umbau Prozess der Kohle-Regionen, hier haben wir die Chemie-Industrie mit starken Standorten. Und überall zeigt sich der Bedarf Richtung Biologisierung. 

 

ECBF - ein Team mit Unternehmergeist

 

Die Mission umzusetzen verfügen wir über ein Team aus 13 verschiedenen Nationen; es vereint die ECBF-Vielfalt, wirtschaftliche und wissenschaftliche Expertise, langjährige Erfahrung in verschiedenen Bereichen sowie Unternehmergeist. 

 

HB: Sie waren Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds, kennen das Geschäft der Startup-Förderung durch Investoren also sehr gut. Nun gilt es, einen neuen Fonds aufzubauen. Was sind da die nächsten Aufgaben? 

 

MB: Ich habe beim High-Tech Gründerfonds lange nur auf Deutschland schauen können. Es ist aber sehr wichtig, dass Innovationen europaweit gedacht werden. Dies ist für uns besonders wichtig, weil wir an Europa glauben. Der ECBF will 25 Unternehmen mit jeweils 10 Millionen Euro finanzieren. Der Finanzierungsbedarf, um Innovationen wirklich zu skalieren, ist aber oftmals viel größer. Wir können da nur einen Teil beisteuern, aber wir haben gute Kontakte und laden andere Investoren ein, hier mitzumachen. 

 

Und das gelingt auch. Es gibt beispielsweise Unternehmen wie Oatly, die Hafermilch produzieren. Sie machen bereits über eine halbe Milliarde Umsatz und sind an der Börse über fünf Milliarden wert. Das ist eine Erfolgsgeschichte. 

 

Innovationen europaweit denken

 

Bioökonomie-Startups liefern eine breite Produktpalette (Bild: RheinZeiger)
Bioökonomie-Startups liefern eine breite Produktpalette (Bild: RheinZeiger)

HB: Das sind wunderbare Beispiele, und es entwickelt sich mehr und mehr eine Akzeptanz für die Bioökonomie. Dennoch bleibt dies eine große Aufgabe. Wenn man an Diskussionen denkt, sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Biotechnik, dann dürfte in der Gesellschaft ein großes Umdenken gefragt sein. 

 

MB: Na ja, zunächst einmal stimme ich Ihnen zu. Der Konsument ist am Ende der wesentliche Treiber dieser Transformation. Da ist aber nicht nur die Bewegung „Fridays for Future“, da ist auch das sich ändernde Konsumverhalten der Menschen. Das Geld für den ECBF kommt dann, wenn der Markt nachfragt, wenn die Produkte gebraucht werden. Das erfordert eine gute Kommunikation und eine attraktive Gestaltung der Bioökonomie-Produkte. 

 

Hier geht es nicht darum, dass wir unsere Ernährung umstellen, um die Welt zu retten. Wir machen das, weil wir damit eben auch bessere Qualität auf den Teller bekommen. Und wir haben Freude daran, Neues auszuprobieren und so der Welt noch etwas Gutes zu tun. Deshalb ist Kommunikation wichtig. 

 

HB: Wie arbeitet der Fonds? Wenn ein Bioökonomie-Startup einen Investor sucht, wie kommt dann der ECBF ins Spiel? 

 

MB: Wir sind als Wachstumsfonds an den Start gegangen, und so ist immer noch die Definition. Die Produkte sollten also im wesentlichen fertig entwickelt sein. Die Technologie sollte man hochskalieren und den Markt in seiner ganzen Breite erschließen können. Es geht also um Skalierung, um Wachstum, denn dort lag der Engpass. Oft wenden sich die Startups zunächst an Business Angel. Da gibt es auch den HighTech Gründerfonds, wo Startups die Gründungsfinanzierung, die Seedfinanzierung und die Runde A bekommen können. Danach können wir als ECBF die Wachstumsfinanzierung übernehmen. 

 

Heimische Pflanzen oder Insekten als Nahrungsmittel-Lieferanten

 

Es gibt Beispiele wie die Prolupin, die von ihnen entwickelte nachhaltige vegane Joghurts auf der Basis von Lupinen anstelle von Soja verkaufen – und Lupinen wachsen hier bei uns. Aus den etwa erbsengroßen Früchten der Lupine lässt sich heute ein Isolat erzeugen, das zur Produktion von Joghurt, Milch oder Frischkäse geeignet ist. Dies ist ein gutes Beispiel für Innovation UND Nachhaltigkeit. Ein weiteres sehr gutes Beispiel ist das Investment bei Protix (Niederlande), ein Insekt Farming Unternehmen. Sie kümmern sich unter dem Slogan „Essen im Einklang mit der Natur“ um die Gewinnung nachhaltiger Proteine und Öle aus Insekten. 

 

HB: Es macht sich mehr und mehr die Erkenntnis breit, dass der Mensch, dessen Ernährung und die Erhaltung seines Lebensraumes im Mittelpunkt stehen muss. Auch in der Landwirtschaft wird viel über Ernährung diskutiert – jetzt vielleicht unterstützt durch die Corona-Pandemie. Weitere Themen sind die wachsende Weltbevölkerung, Energiefragen, Materialfragen und die Logistik. Müssen wir ein neues Miteinander entwickeln? 

 

MB: Das sind richtige Gedanken. Es gibt beispielsweise neue Gerichte, die vielleicht auch diesen Klassiker „Fleisch - Kartoffeln - Gemüse“ auflösen. Wir können andere Gerichte entwickeln oder die klassischen und das Fleisch ersetzen. Auch vegane Schnitzel schmecken gut. Im Grunde müssen wir auf das zugreifen, was die Natur zur Verfügung stellt. Dann erreichen wir eine Landwirtschaft, die auf chemische Substanzen verzichtet. Wir haben Alternativen und wir haben neue geeignete Technologien. 

 

Die Logistik lässt sich durch Bevorzugung der regionalen Märkte herunterfahren. Die Logistik lässt sich aber auch nachhaltiger gestalten. Schiffe können mit erneuerbaren Energien betrieben werden; gleiches gilt für Transporte auf der Straße oder auf der Schiene. Auch die Maschinen der Landwirte können nachhaltig betrieben werden. Dies ist zwar nicht genau unser Thema, aber es grenzt an unsere Themen. Bei alledem ist entscheidend, dass wir Wege finden, damit die Landwirte gute Geschäfte machen können. Der Erhalt einer guten bäuerlichen Landwirtschaft ist essentiell. 

Symbol für Ökostrom
Anbau von Apfelbäumen in Biokultur (Bild: RheinZeiger)
Anbau von Apfelbäumen in Biokultur (Bild: RheinZeiger)

HB: Digitalisierung und Disruption sind aktuelle Themen. Kommt nun die Biologisierung hinzu – mit einem Ursprung in der Landwirtschaft? Wie sehen Sie das? 

 

MB: Das darf man so sehen. Die Digitalisierung prägt ja auch die Biologisierung. Und damit sorgen wir dafür, dass alle Dinge, die wir haben, am Ende biobasierte Ressourcen sind. Wir müssen aufhören, auf fossile Ressourcen zuzugreifen. Das ist das Ziel. Und diesem Ziel sollten wir viele Dinge unterordnen. 

 

Ja, das alles ist kostspielig. Aber die Landwirtschaft ist heute schon kostspielig. Sie ist die größte Produktion von Biomasse, die wir haben und durchaus schon ein gutes Geschäft. Aber es wird eben auch viel subventioniert. Diese Subventionen müssen anders ausgestalten werden. Ein Beispiel: Wenn ein Landwirt seine Schweine abschafft, Apfelbäume pflanzt und auf Bio umstellt, ist der Verkauf hochwertiger Bio-Äpfel auch ein Geschäft. 

 

Verkauf von Bio-Äpfeln als Geschäftsmodell

 

HB: Sie sind ganz offensichtlich an der richtigen Stelle tätig. Wenn Sie sich jetzt den Fonds 10 Jahre später vorstellen, der Fonds seine 300 Millionen vergeben hat: Was ist Ihre Vision? 

 

MB: Dass viele Unternehmer und Manager sich aufmachen, um in dieser Branche Fuß zu fassen, dort Innovationen zu ermöglichen und die Transformation mit voranzubringen. Und dass es uns gelingt, die Bedenkenträger zu überzeugen. Unser Engagement soll nicht nur diese Welt retten – ja, das müssen wir auch – sondern auch einen hohen, gesunden Lebensstandard und dennoch gute Geschäfte ermöglichen. 

 

Das Idealbild wäre, dass das der ECBF dazu beigetragen hat, einige Innovationen wirklich auf ein globales Level zu heben. Wenn unsere Investoren ein gutes Geschäft machen, habe wir die Chance, einen zweiten Fonds aufzusetzen. Dafür brauchen wir erfolgreiche Unternehmen. Wir haben die Leidenschaft, der Bioökonomie einen echten Impuls zu geben. 

 

HB: Herr Dr. Brandkamp, haben Sie vielen Dank für das interessante Gespräch! Wir wünschen Ihnen und dem Europäischen Nachhaltigkeitsfonds viel Erfolg!